Zum Inhalt springen

"DSDS"-Entscheidung Mauer Migrantenstadl

Flöten, raspeln, menscheln: Die fünfte Staffel von "DSDS" endete mit einer Gala, nur ein wenig glamouröser als die Abschlussfeier an einer Realschule. Einziges Highlight: Dieter Bohlen, der aussah wie ein Astronaut auf Freiersfüßen und die Finalisten mit pipiwarmen Komplimenten überschüttete.
Von Henryk M. Broder

Nicht alles, das lange währt, wird am Ende wirklich gut. Sogar nach einer Reise, die rund um die Welt führt, stellt sich bei den Teilnehmern ein ermattetes Glücksgefühl ein, wenn sie wieder im Heimathafen einlaufen und festen Boden unter den Füßen spüren. Der Proviant ist alle, man hat sich aneinander satt gesehen und mag auch die Witze des Kapitäns beim gemeinsamen Tafeln nicht mehr hören.

So war auch den beiden Superstars aus dem "DSDS"-Stall am gestrigen Samstagabend die Erleichterung anzusehen, dass sie es bald geschafft haben würden. Mehr als 30.000 Kandidaten waren vor Monaten in das Rennen gegangen, 15 (0,05 Prozent) hatten sich für das Finale qualifiziert, zwei waren am Ende übrig, die gegeneinander antraten. Fady Maalouf, 29, und Thomas Godoj, 30, "zwei Kerle, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten", beschrieb es Moderator Marco Schreyl treffend.

Fady, ein mit französischem Akzent parlierender Charmeur, der sich selbst Mut zusprach: "Ich hab's verdient zu gewinnen, weil ich hab es schwer gehabt." Und Thomas, der sowohl beim Singen wie beim Sprechen kaum den Mund aufmachte und mit seiner Frisur an Jürgen Drews erinnerte, der sich als Bata Illic gestylt hatte. Zwei Kandidaten mit "Migrationshintergrund", libanesisch der eine, polnisch der andere.

Pipiwarme Komplimente von Dieter Bohlen

Es sollte "der Höhepunkt des Jahres" werden, ein "gigantischer Abend", die "Nacht der Nächte", wenn da nur nicht ein Problem gewesen wäre. Wie bestreitet man fast 180 Minuten mit zwei Finalisten und sechs Liedern? Man zieht alles in die Länge, zeigt alte Einspielfilme aus vorausgegangenen Shows und lässt die beiden Konkurrenten immer wieder sagen, wie dankbar sie ihren Eltern, dem Schicksal und der Jury sind.

Die trat ihrerseits auch zum letzten Gefecht an. Dieter Bohlen in einem silbernen Anzug, in dem er wie ein Astronaut auf Freiersfüßen aussah, Anja Lukaseder in einem langen rosafarbenen Kleid aus dem Nachlass von Pink und Andreas Läsker in einer roten Hausjacke, die in ihrem ersten Leben eine Gardine in einem Oldenburger Puff gewesen sein muss.

Bohlen hatte sich nicht nur in Schale geworfen, er hatte auch Kreide gefressen. Nach den vielen Grobheiten, die er sich in den Castings geleistet hatte ("Es gibt sechs Milliarden Menschen, und du musst herkommen"), zeigte er sich nun von seiner zarten Seite. "Als ich ein kleiner Junge war, und es war kalt im Winter, da hab ich mir oft in die Hosen gepinkelt, und das war so ein schönes, warmes Gefühl - genauso wie du singst", sagte er zu Fady. "Du kannst jetzt Hände schütteln und vergisst den Text dabei nicht", lobte er Thomas.

"Bild"-Zeitung versus "Schnulzengott"

Es wurde geflötet, geraspelt und gemenschelt, als habe Ursula von der Leyen die Schirmherrschaft über das Projekt "DSDS" übernommen. "Fady, was bedeutet es für dich, dass deine Familie da unten sitzt?", fragte der Moderator. Worauf Fady ganz spontan die richtige Antwort gab: "Ohne Familie bin ich nichts." Auch Thomas wusste, wem er seinen Aufstieg an die "DSDS"-Spitze zu verdanken hatte: "Meine Eltern sind mir sehr wichtig."

Sowohl die Eltern von Fady wie die von Thomas waren im Saal und wurden von den Kameras ausgiebig ins Bild gerückt. Das einzige Familienmitglied, das entweder nicht da war oder übersehen wurde, war Fadys "Ehemann", dessen Existenz von "Bild"-Zeitung pünktlich zum Finale enthüllt wurde. Möglicherweise war es diese Enthüllung, die "Schnulzengott" Fady die Stimmen seiner weiblichen Fans und damit den Sieg gekostet hat.

Und so ging die fünfte Staffel von "DSDS" mit einer Gala zu Ende, die nur ein wenig glamouröser war als die Abschlussfeier an einer Realschule, dank der Lichteffekte und der bengalischen Feuer, die als Gefühlsverstärker eingesetzt wurden.

"Ich würde sogar ein Kilo Hackfleisch in die Charts kriegen"

Höhepunkt der Sendung war freilich der Auftritt der "DSDS-Casting-All-Stars", die "uns so viel Freude bereitet haben", ein Dutzend "DSDS"-Kandidaten, die in den Casting-Runden ausgeschieden waren, unter ihnen solche Talente wie die füllige Blondine, die "Mein Haar ist schön" sang, und der Mann mit Mütze, der sich mit einer Ukulele gegen die Stirn schlug, während er das polnische Geburtstagslied "Sto lat" in seine Einzelteile zerlegte.

Jeder für sich hatte einen gewissen Charme, der aus Ehrgeiz und Selbstüberschätzung herrührte, alle zusammen waren sie so unsäglich und unerträglich wie eine Runde kreischender Fledermäuse kurz vor Sonnenaufgang. Dennoch ließen sie sich die Gelegenheit nicht entgehen, noch einmal aufzutreten, um zu demonstrieren, dass sie zu Recht unterwegs vom Leiterwagen gefallen waren.

Noch nie ist der Hit "We are the champions" grausamer misshandelt worden, nicht einmal von der deutschen Fußballnationalmannschaft. "Die haben Mut", sagte Bohlen nach dem Gruppenauftritt, "die gehören dazu wie Sand in die Sahara". Und auf die Frage des Moderators, ob man "aus denen was machen" könnte, drohte er eine Fortsetzung des Schreckens an: "Ich würde sogar ein Kilo Hackfleisch in die Charts kriegen."

"Migrantenstadl" mit Integrationswert

Kurz vor Mitternacht stand der Sieger fest: 62 Prozent der Anrufer hatten für Thomas gestimmt. Der herbe Typ hatte sich gegen den Sonnyboy durchgesetzt.

"Deutschland sucht den Superstar" war mehr als ein Talentwettbewerb, es war, wie der Berliner "Tagesspiegel" schrieb, ein "Migrantenstadl", da neun von zehn Finalisten Migranten oder Kinder von Migranten waren. Insofern war die Show auch ein Integrationsangebot, und nicht einmal ein schlechtes. Fady war noch nicht einmal zwei Jahre in Deutschland, hatte Deutsch gelernt und sich nach oben gesungen. Thomas lebte bei seinen Eltern und von Hartz IV, "DSDS" war seine "letzte Chance". Jetzt stehen beide am Anfang einer Karriere im Showbusiness.

Wie lange sie dauern wird, hängt davon ab, wann die nächste "DSDS"-Staffel beginnt. Tausende von Superstars stehen schon bereit, es Fady und Thomas nachzumachen.

Mehr lesen über